Das Gesamtplanverfahrenin Nordrhein-Westfalen aus Sicht der Selbsthilfe

Grundlagen und Ziele des Gesamtplanverfahrens

Die UN-Behindertenrechtskonvention wird in der Bundesrepublik Deutschland maßgeblich durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) vom 23. Dezember 2016 umgesetzt. Das Ziel ist die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Dazu kommt es bei den Leistungen der Eingliederungshilfe zur Abkehr von einer pauschalen Leistungserbringung hin zu einer personenzentrierten Leistungserbringung. Aus der Begründung des BTHG ergibt sich, dass

„der Gesamtplanung (…) im Kontext personenzentrierter Leistungsgewährung und -erbringung eine Schlüsselfunktion zu (kommt). Sie ist die Grundlage für die Sicherstellung einer bedarfsdeckenden Leistungserbringung. Die Regelungen (…)
normieren die für die besonderen Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen notwendigen Spezifika.“

Die Ermittlung, Feststellung und Sicherstellung dieser personenzentrierten Leistung ist Kern des Gesamtplanverfahrens. Die Gesamtplanung nach §117 SGB IX ist die wesentliche Voraussetzung dafür, die Leistungen so auszugestalten, dass eine volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe möglich ist. Die Ermittlung und Feststellung der Teilhabebedarfe orientiert
sich an den neun Lebensbereichen nach ICF1 . Diese Systematik beschreibt eine nicht nur vorübergehenden Beeinträchtigung der Aktivität und Teilhabe in den neun Lebensbereichen. Die Bedarfsermittlung der Gesamtplanung ist explizit als diskursiver Prozess angelegt und nicht als Interview, bei dem das Teilhabeinstrumentarium sukzessive abgearbeitet wird. An dem Prozess sind die nachfragende Person, ihre*seine Begleiter*innen (z. B. Angehörige, andere Vertrauenspersonen, die gesetzliche Betreuung, Beschäftigte der Leistungserbringer) und das Fallmanagement des Leistungsträgers beteiligt, § 121 Absatz 3 SGB IX.

Die Ausrichtung auf die personenzentrierte Leistungserbringung stellt noch deutlicher als in der Vergangenheit den individuellen Rechtsanspruch der leistungsberechtigten Person heraus. Das Gesamtplanverfahren stärkt ihre
Verfahrensrechte und ihre Position sowohl gegenüber dem Leistungsträger als auch gegenüber dem Leistungserbringer. Hierzu gehört gerade auch, dass das Wunsch- und Wahlrecht der leistungsberechtigten Person, § 8SGB IX, berücksichtigt wird.

Nach § 117 SGB IX ist ein Gesamtplanverfahren immer durchzuführen, wenn Leistungen der Eingliederungshilfe in Betracht kommen. Dabei spielt es keine Rolle, welche Teilhabeleistung begehrt wird. In Nordrhein-Westfalen sind die beiden Landschaftsverbände die zuständigen Leistungsträger, § 1 AG-SGB IX NRW, § 94 Abs. 1 SGB IX.

Die Gesamtplanung soll laut Gesetzesbegründung unter ganzheitlicher Perspektive erfolgen und sich ausschließlich am individuellen Bedarf und den persönlichen Lebensvorstellungen ausrichten. Dazu gehören auch gesundheitsbezogene Bedarfe, die Gegenstand einer Krankenbehandlung sein können. Die trägerübergreifende Zusammenarbeit wird insbesondere durch die Möglichkeit der Durchführung einer Gesamtplankonferenz optimiert.

Der Gesamtplan ist das wesentliches Steuerungsinstrument der persönlichen Leistungserbringung. Darum enthält er nach § 121 Absatz 4 SGB IX u.a. die Ergebnisse der Bedarfsermittlung, die hierfür eingesetzten Verfahren und Instrumente, die Maßstäbe und Kriterien der Wirkungskontrolle, die konkreten festgestellten Bedarfe, die geplanten bzw. durchgeführten Maßnahmen und vereinbarten Ziele sowie Aktivitäten. Für den Fall, dass keine Übereinstimmung zwischen den
Beteiligten über die Ziele erlangt wird, sind die abweichenden Vorstellungen des Menschen mit Behinderung im Gesamtplan festzuhalten. Anhand des Gesamtplans können Planungen und Ziele von Prozessen dokumentiert, überprüft und weiterentwickelt werden. Der Gesamtplan bedarf der Schriftform und soll regelmäßig, spätestens nach zwei Jahren
überprüft und fortgeschrieben werden. Damit wird sichergestellt, dass auf veränderte Bedarfe, Wünsche und Teilhabeziele der leistungsberechtigten Personen zeitnah und flexibel reagiert werden kann.

Der Gesamtplan soll das Vorgehen der Eingliederungshilfeträger transparent machen. Um die Partizipation der leistungsberechtigten Person zu stärken, hat der Träger der Eingliederungshilfe ihr den Gesamtplan zur Verfügung zu stellen, § 121 Absatz 5 SGB IX.

Nach § 117 SGB IX ist das Gesamtplanverfahren nach folgenden Maßstäben durchzuführen:

  1. Beteiligung des Leistungsberechtigten in allen Verfahrensschritten, beginnend mit der Beratung im Vorfeld des Verfahrens,
  2. Dokumentation der Wünsche des Leistungsberechtigten zu Ziel und Art der Leistungen,
  3. Beachtung der Kriterien transparent, trägerübergreifend, interdisziplinär, konsensorientiert, individuell, lebensweltbezogen, sozialraumorientiert und zielorientiert,
  4. Ermittlung des individuellen Bedarfes,
  5. Durchführung einer Gesamtplankonferenz,
  6. Abstimmung der Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer in einer
  7. Gesamtplankonferenz unter Beteiligung betroffener Leistungsträger.

Durchführung des Gesamtplanverfahrens

Gemäß § 121 Absatz 2, 3 SGB IX ist das Gesamtplanverfahren auch im Rahmen der Fortschreibung der Eingliederungshilfeleistungen durchzuführen. Obwohl dies aus unserer Sicht immanent ist, sind die
leistungsberechtigten Personen auch im Vorfeld dieses Verfahrens über den Ablauf des Verfahrens, seine Ziele, die Beteiligten, die Rechte der Beteiligten sowie über das eigene Recht auf Begleitung samt der Information über die Tragung der Kosten dieser Begleitung zu informieren und auf die Antragsstellung sowie auf etwaige Rechtsmittel nach der
Bescheidung des Ergebnisses des Gesamtplanverfahrens hinzuweisen Dieses Verfahren entspricht demselben Verfahren wie im Rahmen der Erstbewilligung.

Im Vorfeld des Verfahrens haben die leistungsberechtigten Personen einen Anspruch auf Information und Beratung. Sie müssen ihre Rechte und Möglichkeiten kennen, um auf dieser Grundlage ihr eigenes Leben planen und gestalten zu können. Hieraus ergibt sich, dass die Beratung und Unterstützung von hoher Bedeutung sind. Die Landschaftsverbände sind
nach § 106 SGB IX zur umfassenden und kostenfreien Beratung und Unterstützung verpflichtet. Daneben gibt es weitere
Beratungsmöglichkeiten, vgl. § 106 Absatz 4, § 12 Absatz 1 SGB IX, über die die leistungsberechtigten Personen zu informieren sind.

Die leistungsberechtigte Person ist im Vorfeld auch darauf hinzuweisen, dass sie gemäß § 117 Abs. 2 SGB IX eine Person ihres Vertrauens an dem Gesamtplanverfahren beteiligen kann. Dies kann eine beim Leistungserbringer beschäftigte Person sein, dies kann aber auch jede andere dritte Person des Vertrauens sein, insbesondere ein ihn beratender anderer Mensch mit Behinderung oder eine vom Leistungsträger so weit wie möglich unabhängige Beratungsinstanz sein. Darüber hinaus sind
gesetzliche Betreuer*innen und Verfahrenspfleger*innen, Bevollmächtigte sowie Rechtsbeistände einzubeziehen.

Die leistungsberechtigte Person muss gemäß § 108 SGB IX einen Antrag auf Teilhabeleistungen stellen. Die sich daraus ergebende Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe darf nicht befristet gewährt werden, allerdings sollen die Landschaftsverbände nach spätestens 2 Jahren den Bedarfsumfang, auch im Interesse der leistungsberechtigten Person,
überprüfen, § 121 Absatz 2 SGB IX2. Das Verfahren um die Antragsstellung ist in jeglicher Hinsicht barrierefrei
zu gestalten.

Um die Bedarfsermittlung in der Eingliederungshilfe erfolgreich umzusetzen, empfiehlt der Deutsche Verein, die Berücksichtigung der folgenden Faktoren3. Die Bedarfsermittlung muss in einem sorgfältigen, konkreten, barrierefreien und umfassenden Verfahren durchgeführt werden. Die Bedarfsermittlung muss personenzentriert erfolgen, daher sind die Wünsche, Ziele und Vorstellungen des Menschen mit Behinderung zu erheben und zu dokumentieren, da sie auch als Grundlage für die Vereinbarung von Teilhabezielen zwischen Leistungsträgern und Leistungsberechtigten dienen. Der Leistungsträger hat sicherzustellen, dass er die Wünsche der leistungsberechtigten Person ganz konkret und umfassend erfasst. Er hat auch sicherzustellen, dass das Wahlrecht der leistungsberechtigten Person in jeglicher Hinsicht berücksichtigt wird. Dies setzt im Regelfall ein persönliches Gespräch mit dem Menschen mit Behinderung voraus. Für die Anwendung der fachlich fundierten Bedarfsermittlungsinstrumente bedarf es auch einer fachlichen und kommunikativen Kompetenz der beteiligten professionellen Akteure. Auch müssen ausreichend zeitliche und personelle Ressourcen eingeplant und zur Verfügung gestellt werden. Erforderlich ist eine konsensorientierte und interdisziplinäre Kooperation mit den Rehabilitationsträgern.

Die Position des Leistungsberechtigten erfährt durch die Gesamtplanung eine Stärkung, die durch die Auflistung konkreter Kriterien für das Bedarfsermittlungsverfahren auf eine fachlich fundierte Basis gestellt wird. Grundlage für die Beratung ist das Ergebnis der Bedarfsermittlung anhand des Instruments nach § 118. Danach wird der Bedarf für die neun Lebensbereiche (ICF) unter folgenden Aspekten erfasst:

  1. Art bzw. Form der Leistung (Sach- oder Geldleistung)
  2. Zeitliche Lage der Leistung (am Tag bzw. in der Nacht)
  3. Ort der Leistung
  4. Art des Leistungsmoduls (z. B. Tagesstruktur, WfbM, Nachtbereitschaft, häusliches Leben etc.)
  5. Zeitlicher Umfang der Leistung (in Stunden pro Woche)
  6. Leistungszeitraum
  7. Name und Anschrift der vorgesehenen Leistungserbringer (falls bekannt).

Wenn auf eine Gesamtplankonferenz verzichtet wird, ist die leistungsberechtige Person über den Sachstand zu informieren und einzubinden. Aus Gründen der Transparenz ist die leistungsberechtigte Person über die Gründe des Verzichts auf die Gesamtplankonferenz zu informieren.

In der (in ausführlicher Textform ausgeführten) zusammenfassenden Beschreibung der Bedarfssituation werden alle relevanten Einzelaspekte, die im Prozess ermittelt wurden, gesamthaft und aufeinander bezogen bewertet. Diese fachliche Beurteilung wird seitens des Leistungsträgers formuliert und mit der nachfragenden Person explizit abgestimmt. In die
fachliche Beurteilung ist auch die Sichtweise der nachfragenden Person aufzunehmen.

Die fachliche Beurteilung mündet in der Benennung von (möglichen) Nahzielen (mit Bezug auf die geäußerten persönlichen Ziele bzw. Anliegen der nachfragenden Person), die sich aus der zusammenfassenden Beurteilung der Bedarfssituation der nachfragenden Person im behandelten Lebensbereich ableiten. Diese können im jeweiligen Lebensbereich bereits notiert und später in der Zusammenfassung wieder angezeigt werden. Zudem soll pro Lebensbereich der Umfang professioneller Unterstützungsleistungen bzw. des Teilhabebedarfs in Stunden pro Woche geschätzt werden.

Hinsichtlich der im Rahmen des Gesamtplanverfahren durchzuführenden Bedarfsermittlung verweisen wir im Übrigen auf unsere entsprechenden Stellungnahmen.


Gesamtplankonferenz

Die Diskussion der festgestellten Bedarfe und wie diese gedeckt werden sollen, ist Kern der Gesamtplankonferenz. Die Durchführung der Gesamtplankonferenz kann von der leistungsberechtigen Person oder den beteiligten Rehabilitationsträgern vorgeschlagen werden. Der Eingliederungshilfeträger kann gemäß § 119 Absatz 1 Satz 3 SGB IX die
Durchführung einer Konferenz allerdings ablehnen, wenn der Sachverhalt schriftlich zu ermitteln ist oder der Aufwand zur Durchführung nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der begehrten Leistung steht. Dann ist die leistungsberechtige Person über den Sachstand zu informieren und einzubinden. Aus Gründen der Transparenz ist die
leistungsberechtigte Person über die Gründe des Verzichts auf die Gesamtplankonferenz zu informieren.

In der Gesamtplankonferenz beraten der Träger der Eingliederungshilfe, und andere beteiligte Leistungsträger gemeinsam mit der leistungsberechtigten Person in einer für sie wahrnehmbaren Form umfassend über ihre Unterstützungsbedarfe und die zu deren Deckung notwendigen Leistungen. Der Träger der Eingliederungshilfe hat dafür zu sorgen, dass diese Konferenz barrierefrei ist, damit die leistungsberechtigen Personen in die Lage versetzt werden, sich zu beteiligen. Die Beratung über die Leistungserbringung erstreckt sich auch auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer pauschalen Geldleistung. Nach § 119 Absatz 2 Satz SGB IX ist auch der Verbleib eines Taschengeldbetrages, Anteil am Regelsatz nach § 27 a Absatz 3 SGB XII sicherzustellen. Die Form der Gesamtplankonferenz muss für eine adäquate Beteiligung der leistungsberechtigten Person geeignet sein. An der Gesamtplankonferenz nehmen die leistungsberechtige Person und der
Träger der Eingliederungshilfe teil. Nach § 117 Absatz 3 SGB IX können, wenn die leistungsberechtigte Person zustimmt, auch die Pflegeversicherung und der Sozialhilfeträger mit seiner Hilfe zur Pflege beteiligt werden.

Die Gesamtplankonferenz kann an jedem Ort durchgeführt werden, idealerweise an dem Ort, an dem sich die leistungsberechtigte Person wohlfühlt. In der Gesamtplankonferenz beraten die Teilnehmenden dann auf der Grundlage der Ergebnisse der Bedarfsermittlung und unter Berücksichtigung der Wünsche der leistungsberechtigten Person über die
zu erbringenden Leistungen. Bei komplexen Fallkonstellationen kann diese Konferenz die Bedarfsermittlung ergänzen, wenn trotz sorgfältiger und umfassender Bedarfsermittlung weiterhin unterschiedliche Auffassungen zum ermittelten Bedarf bestehen.

Das Ergebnis der Gesamtplankonferenz enthält auch die Angaben darüber, wer insgesamt an der Gesamtplanung mitgewirkt hat, dass die Konferenz durchgeführt wurde und wer daran teilgenommen hat. Die Ergebnisse werden Bestandteil des zu erstellenden Gesamtplans. Dieser ist dann die Grundlage des Leistungsbescheides, § 120 Absatz 2 Satz 1 SGB IX.


Leistungsbescheid

Am Ende des Verfahrens steht der Bewilligungsbescheid. Abgesehen von den Fällen der Erstbewilligung enthält dieser Bescheid nicht mehr die Antwort auf die Frage, ob die Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht wird, sondern es geht allein um die Frage, wie dieser konkrete Bedarf im Höchstfall für die nächsten zwei Jahre gedeckt wird4. Der Erlass des
Bewilligungsbescheides durch den Träger der Eingliederungshilfe bildet den vorläufigen Abschluss des Gesamtplanverfahrens. Dieser Verwaltungsakt enthält mindestens Aussagen zu Art und Umfang der bewilligten Leistungen und zu den jeweiligen Leistungsvoraussetzungen. Daher sind im Gesamtplan in allen seinen Verfahrensschritten die
konkreten Inhalte, Ziele, sowie Art und Umfang der Leistungen darzustellen, die den individuellen Bedarf der/des Leistungsberechtigten abdecken.

Gemäß § 120 Absatz 1 SGB IX stellen nach Abschluss der Gesamtplankonferenz der Träger der Eingliederungshilfe und die
beteiligten Leistungsträger ihre Leistungen nach den für sie geltenden Leistungsgesetzen innerhalb der Fristen nach den §§ 14, 15 SGB IX fest, sprich innerhalb von 2 Wochen.

Der Gesamtplan soll innerhalb von zwei Monaten nach Antragseingang, nach den für die beteiligten Träger geltenden Leistungsgesetzen festgestellt werden. Auch wenn das Gesamtplanverfahren dialogisch ausgestaltet ist, so bleibt für die leistungsberechtigte Person immer noch die Möglichkeit, sich gegen den Bescheid durch das Rechtsmittel des
Widerspruchs zu wehren.

Zwingend durchzuführen ist eine Gesamtplankonferenz dann, wenn ein leistungsberechtigter Elternteil mit Behinderungen Leistungen zur Versorgung und Betreuung eines eigenen Kindes oder mehrerer eigener Kinder beantragt, § 119 Abs. 4 SGB IX.


Das Teilhabeplanverfahren

Besteht im konkreten Einzelfall Anlass zur Annahme, dass mehrere gleichzeitig durchzuführende oder aufeinander folgende Leistungen zur Teilhabe verschiedener Leistungsgruppen oder mehrerer Rehabilitationsträger oder des Integrationsamtes bzw. Inklusionsamtes zur Erreichung der Teilhabe erforderlich werden, ist ein Teilhabeplanverfahren durchzuführen, § 19 SGB IX. In diesem Fall ist ein ebenfalls notwendiges Gesamtplanverfahren Gegenstand des Teilhabeplanverfahrens.

Davon abgesehen dient das Teilhabeplanverfahren in Abgrenzung zum Gesamtplanverfahren der Koordination mehrerer erforderlicher Leistungen zur Teilhabe mit dem Ziel einer effektiven und effizienten Leistungserbringung. Es handelt sich um ein verbindliches, partizipatives Verfahren, das auch bei trägerübergreifenden Fallkonstellationen Leistungen „wie aus einer Hand“ gewährt und Nachteile des gegliederten Systems der Rehabilitation für die Menschen mit Behinderungen abbaut. Das Teilhabeplanverfahren wurde in den §§ 19 bis 23 SGB IX für alle Rehabilitationsträger im allgemeinen Teil des SGB IX geregelt. Das Verhältnis von Teilhabeplanverfahren und Gesamtplanverfahren regelt §21 SGB IX für den Fall, dass der Träger der Eingliederungshilfe auch für die Durchführung der Teilhabeplanung zuständig ist. Nach § 21 SGB IX
gelten die Vorschriften für die Gesamtplanung ergänzend, wenn der Träger der Eingliederungshilfe der für die Durchführung des Teilhabeplanverfahrens verantwortliche Rehabilitationsträger ist.

Kommen Leistungen verschiedener Leistungsgruppen (z.B. Soziale Teilhabe und Teilhabe am Arbeitsleben) oder mehrerer
Rehabilitationsträger in Betracht, ist nach § 19 SGB IX der leistende Rehabilitationsträger dafür verantwortlich, dass er und die beteiligten Rehabilitationsträger im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit den Leistungsberechtigten erforderliche Leistungen so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinandergreifen können.

Auf Wunsch der leistungsberechtigten Person ist nach § 19 Abs. 2 Satz 3 SGB IX eine Teilhabeplankonferenz durchzuführen. Das Teilhabeplanverfahren ist transparent, individuell, lebensweltbezogen und zielorientiert zu gestalten. Die individuellen Wünsche und Bedürfnisse des Menschen mit Behinderung sind zu berücksichtigen.

Die Akteure der Teilhabeplanung sind, wenn erforderlich, nach § 22 SGB IX die Pflegekassen, Integrationsämter bzw. Inklusionsämter, Jobcenter oder die jeweils zuständige Betreuungsbehörde und andere öffentliche Stellen. Daneben können auf Wunsch oder mit Zustimmung der/des Leistungsberechtigten aber auch beispielsweise Leistungserbringer an der
Teilhabekonferenz teilnehmen, vgl. § 20 Abs. 3 SGB IX.

Das Verfahren führt dazu, dass auch die Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 SGB IX in einem Teilhabeplan festgehalten werden müssen, wenn Leistungen mehrerer Rehabilitationsträger oder verschiedener Leistungsgruppen gemäß § 5 SGB IX erforderlich sind. Ein Teilhabeplanverfahren ist somit auch durchzuführen, wenn der Träger der
Eingliederungshilfe im Einzelfall alleiniger Rehabilitationsträger ist, aber Leistungen aus mehreren Leistungsgruppen wie Leistungen zur Sozialen Teilhabe und zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigt werden. In diesen und in Fällen, in denen neben Leistungen der Eingliederungshilfe noch Leistungen anderer Rehabilitationsträger notwendig sind, ist das Gesamtplanverfahren vom Teilhabeplanverfahren umfasst. Es bleibt dabei, dass nur ein Träger als leistender Träger für die trägerübergreifenden Teilhabeleistungen zuständig ist.

Sofern Leistungen zur Teilhabe in Form eines persönlichen Budgets erbracht werden, werden die wesentlichen Inhalte der Zielvereinbarung nach § 29 SGB IX im Teilhabeplan berücksichtigt.5


Mittragende der gemeinsamen Forderung aus Perspektive der Selbsthilfe:


1 Internationalen Klassifikation von Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF)

2 Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Januar 2021, Az.: B 8 SO 9/19 R, Rz. 35, 37, das BSG sieht die Möglichkeit der Befristung nur beim Vorliegen einer entsprechenden gesetzlichen Regelung.

3 Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gesamtplanung in der Eingliederungshilfe und ihr Verhältnis zur Teilhabeplanung, DV 01/19, verabschiedet am 18. Juni 2019, Seite 19

4 Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Januar 2021, Az.: B 8 SO 9/19 R, Rz. 35, 37

5 Vgl. Gemeinsame Empfehlung der BAR zum Reha-Prozess (2019) (Fußn. 7)

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